26. April: Demenz als Thema im Jakobi-Treff "Kirche und Welt"
Demenz als gesellschaftliches Problem - Alternative Wohnformen als Lösung" war der genaue Titel vom Jakobi-Treff „Kirche und Welt" am letzten Mittwoch im April.
Als Referentin konnte Karl Wilms Birgit Wanjek vom Diakonischen Werk Tecklenburg begrüßen, die als Pflegedienstleiterin die ambulant betreute Wohngruppe „An der Basilika" leitet.
Wanjek lieferte Fakten, die besorgt und betroffen machen: Heute lebten ca. 4 Millionen Menschen, die älter als 80 Jahre sind und bis 2050 steige die Zahl auf ungefähr 10 Millionen. Zurzeit werde noch ein Großteil - ca. zwei Drittel - der Pflegebedürftigen zu Hause betreut, doch sinke diese Zahl erheblich, weil z.B. durch das eigene hohe Alter Eheleute selbst gesundheitlich eingeschränkt und überfordert sind. Dies führe zur Verschiebung von privater zur professionellen Pflege. Zudem würden die zunehmend älteren, multimorbide und dement werden Patienten von immer älterem Pflegepersonal versorgt. Die Zahl der über 50jährigen in der Altenpflege steige stetig an.
In Deutschland lebten gegenwärtig fast eine Millionen Demenzkranke, Jahr für Jahr träten etwa 300.000 Neuerkrankungen auf. Bis zu einem Alter von 70 Jahren erkrankten etwa 2 Prozent und bis zu einem Alter von 80 Jahren etwa 12 Prozent und bis zu einem Alter von 90 Jahren sogar 50 Prozent der Menschen an Demenz.
Dabei würden grob drei Stadien unterschieden, erläuterte Wanjek: „In einem frühen Stadium lässt das Kurzzeitgedächtnis nach, erste Wortfindungsstörungen und Orientierungsprobleme treten auf und Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen nehmen zu". Im mittleres Stadium gebe es Einschränkungen auch im Langzeitgedächtnis, es komme zu vermehrten Sprachstörungen und Orientierungsproblemen; alltägliche Verrichtungen fielen immer schwerer. Einschränkungen in der Wahrnehmung (Gefahrenquellen werden nicht gesehen) und in den Handlungsabläufen (z.B. Haare kämmen, ein Glas zum Mund führen) führten zu dem, was der Fachterminus „eingeschränkte Alterskompetenz" umschreibe.
„Im späten Stadium verschwimmen dann Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, viele Betroffene stellen das Sprechen ein, es kommt zum körperlichen Verfall bis hin zur Bettlägerigkeit" so Wanjek. Die Behandlung von Demenz könne medikamentös erfolgen z.B. mit Neuroleptika und Antidepressiva, aber auch Krankengymnastik, Logopädie sowie Musik- und Kunsttherapie hätten sich bewährt. Die Erkrankung habe oft einen schleichenden Verlauf und die Belastung der pflegenden Angehörigen stoße im Laufe der Zeit häufig an der Grenze des Leistbaren.
Eine für Rheine neue Form der Betreuung biete die Wohngruppe „An der Basilika": „Es fühlt sich an wie in einer Großfamilie. Wir sind eine ambulant betreute Wohngruppe für Menschen/Senioren mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz und bieten Platz für 11 Mieter", so Wanjek. „Die Wohnungen mit einem barrierefreien Bad werden nach eigenen Vorstellungen und Wünschen der Mieter eingerichtet."
Zusätzlich erfolge eine regelmäßige und dauerhaft Beaufsichtigung und Betreuung für Menschen mit demenzbedingten Einschränkungen. Für die Mieter gebe es je nach Bedarf pflegerische Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst und eine 24 Std.- Betreuung mit zahlreichen Möglichkeiten der Betreuung . Es fänden Beschäftigungen statt im Rahmen von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten wie gemeinsames Kochen, Backen und Wäsche auffalten oder Beschäftigungen wie Sitzgymnastik, Gedächtnistraining, kreative Tätigkeiten, gemeinsames Singen, Gesellschaftsspiele, Spaziergänge und vieles mehr.
Die Wohnungen würden gemietet, die Betreuung übernehme das Diakonische Werk, die Finanzierung erfolge aus Mitteln der Pflegeversicherung, Leistungen der Krankenversicherung, Eigenmitteln des Mieters sowie im Bedarfsfall aus ergänzenden Leistungen der Sozialhilfe.
Am Ende schloss sich eine lebhafte Fragerunde an, die zahlreichen, sehr aufmerksamen Zuhörer dankten mit herzlichem Applaus.
Dass der Fotograf seine Kamera und der Moderator das obligatorische Gastgeschenk vergessen hatten, sei nur am Rande erwähnt ...