30. November: „Zur Ehre Gottes und Recreation des Gemüths“
Das Kammerorchester Rheine gab am Sonntag in der Jakobi-Kirche ein Bach-Konzert, das orchestral sowie solistisch hervorragend und eine Einstimmung in die Adventszeit war. Die Empore, alle herausziehbaren Notsitze und viele Extrastühle boten dem Auditorium Platz für dieses Konzert, das auch ein Abschluss des Lutherjahres war.
Zunächst stand das „Konzert für zwei Violinen in d-Moll“ auf dem Programm , dessen erste beiden Sätze Melanie Mardidos und Vinzenz Bußmann, beide Schüler aus Rheine und Preisträger beim Wettbewerb „Jugend musiziert“, spielten. Aus dem Tutti des Orchesters erhoben sich die zwei Violinen, arbeiteten in der Form einer Fuge ihre gegenläufigen Themen heraus und glänzten perfekt im Zusammenspiel mit dem Partner und dem Orchester. Die Beachtung des Ausdrucks war besonders in dem weltbekannten Largo (2. Satz) zu hören, als liebliche Melodik einer bukolischen Siciliano doppeltönig ausgearbeitet wurde, heraushebend im Crescendo und zurücknehmend im zart-melancholischen Zusammenspiel.
Es folgte der Choral zur Bachschen Kantate „Schmücke dich, o liebe Seele“, ein fröhlich heiteres Werk eines Abendmahlliedes, auf der Orgel gespielt von Lena Puschmann. Die grundlegende Thematik, die Sehnsucht der Gläubigen nach der Vereinigung mit Christus im Sakrament, wird im Text des ursprünglichen Kirchenliedes genannt, doch die Moderation von Dirk von der Ehe gab den notwendigen Hinweis auf die Einheit von Text und Musik, von der Mendelssohn-Bartholdy gesagt haben soll, „diese Stück würde mich vertrösten“.
In der Darbietung des „Brandenburgischen Konzerts Nr. 3“ wurde das Kammerorchester zum Solisten dieses Bachkonzerts. Es erreichte eine hohe Klangfülle dank der geteilten Geigen, zeigte dann ambitionierte Streicher in allen Trio-Gruppen von Violine, Viola und Violoncello und bot eine saubere „Verarbeitung“ des kunstvoll verwobenen Themas, begleitet vom Basso continuo (Cembalo: Winfrid Puschmann). Einen Adagio-Satz hat Bach nicht ausgeführt, das Kammerorchester setzte als Verbindung zum 2. Satz ein kleines Geigensolo ein (stilistisch gut: Kathrin Höffgen), das zum 2. Satz hinführte. Dieser stellt eine Gigue dar, von Anfang an eine Kette endloser Sechzehntel. Raija-Liisa von der Ehe dirigierte straff die auf- und ablaufenden Tonreihen und erzielte eine beachtenswerte orchestrale Harmonie.
Den Höhepunkt des Programms setzte Burghard Schmidt mit dem „Konzert für Violine a-Moll“. Mit diesem Konzert ging Bach aus der europäischen Tradition der Violinkonzerte heraus, mied den musikalischen Dialog zwischen Orchester und Violine, sondern gab dem gemeinsamen Spiel eine neue Form. Der 1. Satz beginnt mit kraftvollen Dreiklangakkorden, aus denen sich das Thema der Violine heraushebt. Der 2. Satz ist ein inniges, klagendes Andante, von Burghard Schmidt mit innigem Legato gespielt. Und der 3. Satz hatte es in sich: Raija Liisa von der Ehe hatte ihn bis in die Nähe eines Presto eindirigiert und verlangte so dem Solisten virtuose Spielkünste ab. Langer Applaus, standing ovations in der Jakobikirche! Die Zugabe, erforderlich und auch erwartet: Das weltberühmte liedhafte „Air“ aus der 3. Orchestersuite, natürlich von Johann Sebastian Bach!
Ingmar Winter