Ostersonntag, 4, April: Perdigt von Pfarrer Jürgen Rick
Predigt von Pfarrer Jürgen Rick für Ostersonntag, 4. April 2021
2. Mose 14,8-14.19-23.28-30a
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen.
Der Predigttext zum Ostersonntag steht im 2. Buch Mose im 14. Kapitel:
14,8 Und der HERR verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, dass er den Israeliten nachjagte. Aber die Israeliten waren mit erhobener Hand ausgezogen. 9 Und die Ägypter jagten ihnen nach, alle Rosse und Wagen des Pharao und seine Reiter und das ganze Heer des Pharao, und holten sie ein, als sie am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon lagerten. 10 Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN 11 und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? 12 Haben wir's dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben. 13 Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. 14 Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein...
19 Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie 20 und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher. 21 Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken, und die Wasser teilten sich. 22 Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. 23 Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Reiter, mitten ins Meer…
28 Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. 29 Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken.
30 So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.
Liebe Gemeinde,
ein sehr langer Predigttext ist das. Aus dem Alten Testament. Und natürlich kein Sterbenswort über Kreuzigung und Auferstehung beziehungsweise Karfreitag und Ostern, aber trotzdem genauso eine Geschichte von Leben und Tod, ja eine Rettungsgeschichte.
Und sie ist wichtig, jene Geschichte vom befreienden Auszug aus Ägypten, von Israels Durchzug durch das Schilfmeer - und besonders wichtig für alle Menschen jüdischen Glaubens. Denn wenn sie von ihrem Glauben reden, dann ist das immer das Bekenntnis zu dem Gott, der das Volk Israel aus der Knechtschaft in die Befreiung geführt hat. Diese Geschichte von Leben und Tod ist für Juden genauso wichtig wie für Christen die Geschichte von Tod und Auferstehung Jesu.
In Ägypten, da lebte das Volk Israel in der Hölle der Sklaverei. Die Menschen mussten hart arbeiten für den Pharao, den König von Ägypten. Dann gelang ihnen die Flucht - angeführt von Mose. Endlich waren sie frei.
Doch dann scheint es nicht mehr weiter zu gehen: vor ihnen liegt das Meer. Sie wissen nicht, wie sie da durchkommen sollen - und in ihrem Nacken haben sie die Soldaten des Pharaos mit ihren Pferden und Streitwagen, die sie verfolgen. Sie werden von der Angst gepackt: Todesangst! Und so bereuen sie sogar ihre Flucht: „Warum hast Du uns das angetan, Mose, dass du uns aus Ägypten geführt hast? Es wäre besser und sicherer für uns gewesen, weiter den Ägyptern zu dienen. Denn hier - hier werden wir sterben!“
Und dann spricht Mose zu ihnen jene Worte, die sich sooo oft in der Bibel finden: „Fürchtet euch nicht!
- Fürchtet euch nicht und seht, was für ein Heil der Herr an euch tun wird.“ Und es geschieht in der Tat ein rettendes Wunder: das Heer der Ägypter wird auf Distanz gehalten - und das Meer teilt sich vor den Israeliten: links und rechts türmen sich die Wassermassen wie Mauern auf - und das Volk kann trockenen Fußes mitten durch das Meer ziehen. Als ihnen aber die ägyptischen Reiter folgen, fließt das Wasser zurück - und die Verfolger der Israeliten kommen zu Tode.
Ja, wirklich eine Geschichte von Leben und Tod, liebe Gemeinde! Lassen Sie uns bitte nicht groß darüber nachdenken, was da damals wirklich geschehen sein mag. Wichtig ist allein das, was die Menschen jüdischen Glaubens bis heute bekennen: „Gott hat uns durch Mose aus der Not gerettet, ja vor dem Tod bewahrt. Er hat uns in die Freiheit, ins Leben geführt. Der Glaube an diesen Gott rettet - auch aus scheinbar auswegloser Situation. Darum: Fürchtet euch nicht!“
Und wenn ich nun in die Gegenwart springe, auf die momentane Situation schaue, dann sehe ich da auch eine Hölle, in der wir gefangen sind. Wir sind sozusagen zu Sklaven eines kleinen Virus geworden. Wie sieht da bloß der Weg der Rettung aus? Die ansteigenden Infektionszahlen, die Mutationen des Virus, all die Einschränkungen, Sorgen und Ängste, die mit Corona verbunden sind, all das bedroht uns doch wie damals das Heer der Ägypter das Volk Israel bedrohte. Und der vor uns liegende Weg in die Freiheit von allen Einschränkungen, er ist nicht ohne Gefahren, ist so gefährlich wie jenes Meer, das damals vor den Israeliten lag. Jede Lockerung der Beschränkungen bringt derzeit steigende Inzidenzzahlen mit sich und weitere Tote. Ja, die tödliche Gefahr, sie ist nicht von der Hand zu weisen - und die Worte „Fürchtet euch nicht!“, die kommen mir da nur schwer über die Lippen. Denn es ist doch wirklich zum Fürchten, was wir, ja was die ganze Welt da seit mehr als einem Jahr erlebt. Und es wird noch dauern, bis das Virus wirklich unter Kontrolle ist. Gott sei Dank gibt es mittlerweile Impfstoffe, die hoffentlich die ersehnte Rettung bringen werden.
Und zwischen damals, der Rettung am Schilfmeer, und heute, der Corona-Pandemie, liegt Ostern, liebe Gemeinde: die Rettungsgeschichte schlechthin - für alle, die sich Christen nennen, die daran glauben, dass Gott durch die Auferweckung seines Sohnes die alle und alles vernichtende Macht des Todes besiegt hat. Wieder ein Wunder - so wie damals das Wunder am Schilfmeer!
Und wieder ist Gott derjenige, der für das Wunder gesorgt hat: für das Wunder der Rettung aus Angst und Tod! Es ist ein und derselbe Gott, der den Israeliten die Verfolger vom Leibe hielt, der die Wassermassen des Schilfmeeres weichen ließ, der Jesus von den Toten auferweckte und der den Stein vor dem Grab zur Seite räumte. Es ist ein und derselbe Gott, der sagt: „Fürchtet euch nicht!“
Und wenn Gott das sagt, dann ist das wahrlich alles andere als das sprichwörtliche „Pfeifen im Walde“. Nein, Gottes „Fürchte dich nicht“, es weiß von meinen Ängsten - und Gott nimmt sie ganz, ganz ernst, so wie er damals die Angst der Israeliten ernst genommen hat: ihre Angst vor den Verfolgern und vor dem tödlich-gefährlichen Meer.
Und auch Jesus weiß es doch nun wirklich, dass wir Menschen immer wieder Angst haben: „In der Welt habt ihr Angst“, so sagt er es zu seinen Jüngern. Und: er sagt es zu uns - zu mir und zu Dir! Denn die Spielarten der Angst, sie sind in unserer Gegenwart doch vielschichtig: Angst vor Krieg, Terror und Gewalt, Angst vor Arbeitslosigkeit und anderen sozialen Problemen, Angst vor zerbrechenden Beziehungen und Einsamkeit – und eben auch: Angst vor den weiteren Auswirkungen dieser Corona-Pandemie, vor unheilbarer Krankheit und Tod! Angst vor dem endgültigen Abschied und der Leere.
Und in Jesu eigener Lebens- und Leidensgeschichte, da gibt es doch auch immer wieder Situationen, die anzeigen, dass anscheinend auch er selbst solche Angst - Angst in der Welt - gehabt hat: Gefühle von tiefer, tiefer Einsamkeit im Garten Gethsemane kurz vor seiner Verhaftung, wo er betete: „Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber!“ Oder sein klagender Karfreitags-Schrei am Kreuz - ein Schrei aus tiefster Not, im Gefühl der Gottverlassenheit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“
Ja, liebe Gemeinde, auch Jesus wusste, was Angst in dieser Welt bedeutet. Er hatte seinen Tod vor Augen, musste mit ihm rechnen. Am Karfreitag ist dieser Tod dann eingetreten: Jesus stirbt am Kreuz. „In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus. Und er spricht damit also aus eigener Erfahrung.
Doch der Satz Jesu, der geht ja noch weiter: „aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Mit anderen Worten gesagt: „Seid getröstet. Seid guten Mutes. Fürchtet euch nicht. Denn ich habe die Welt überwunden!“
Und Christen wissen, was er damit gemeint hat: er hat die Macht eines endgültigen Todes besiegt. Er hat dem Tod nicht das letzte Wort gelassen. Auf den Karfreitag des Todes, der Angst, des Abschieds und der Tränen, darauf folgte der Ostermorgen – mit der Hoffnung auf neues Leben!
Und so sagt Jesus auch heute zu mir: „Ja, Du hast Angst in dieser Welt - und darfst sie auch offen zugeben! Aber diese Angst soll nicht das Letzte für Dich sein. Und selbst mit dem Tod ist für Dich nicht alles aus und vorbei. Das Leben, es ist stärker als alles Leid, alle Vergänglichkeit, alle Angst und Sorge, stärker auch als die Corona-Bedrohung dieser Zeit. Und darum sage ich auch zu Dir: Fürchte dich nicht!“
Das, liebe Gemeinde, das ist die Botschaft nicht nur der Geschichte von der Rettung der Israeliten und der Ostergeschichte, sondern all der Rettungsgeschichten der Bibel: „Fürchte dich nicht! Ich weiß einen Weg für dich!“ Und dieser Ruf Gottes ertönt doch viel, viel öfter als nur damals am Schilfmeer oder jetzt an Ostern. Er ertönt jeden Tag neu.
Und wenn ich diesen Ruf Gottes höre und aufnehme, dann kann ich in der Tat meinen Lebensweg getrost weitergehen - durch alle Ängste und tödlichen Bedrohungen hindurch: „Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr an euch tun wird“ - oder mit den Worten eines Liedes gesagt: „Freut euch, ihr Christen, erstanden ist der Herr: Er lebt, und wir sollen leben. Not, Angst und Tod kann uns nicht besiegen mehr: Gott hat den Sieg uns gegeben.“ Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Gebet:
Starker, lebendiger Gott! Du hast Jesus von den Toten auferweckt und uns so den Weg zum Leben neu gezeigt. Wir danken Dir an diesem Ostertag und alle Tage unseres Lebens – durch IHN, Jesus Christus, unserem auferstandenen Herrn und Bruder. Amen.