02/10/2024 0 Kommentare
Mittwoch, 23. März: "Offene und versteckte Armut in Rheine" als Thema im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“
Mittwoch, 23. März: "Offene und versteckte Armut in Rheine" als Thema im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“
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Mittwoch, 23. März: "Offene und versteckte Armut in Rheine" als Thema im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“
Dieter Fühner referierte im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“ über Armut in Rheine
„Offene und verdeckte Armut in Rheine“ war im März das Thema des ersten Jakobi-Treffs „Kirche und Welt“ nach der Corona-Pause. Referent war Dieter Fühner, Vorstandsmitglied der Caritas Rheine.
Als der Caritasverband Rheine zusammen mit den katholischen Kirchengemeinden im Dekanat Rheine im Jahr 1996 die Suppenküche gegründet habe, so Fühner, seien die damals Verantwortlichen skeptisch bzgl. der Nachfrage gewesen. „Heute ist die Suppenküche nicht mehr wegzudenken und ist neben der Rheiner Tafel ein existenzsicherndes Angebot für Menschen in Armut, und das an 365 Tagen im Jahr.“
Zwar müsse in Deutschland niemand verhungern, doch sei unübersehbar, dass Armut zunehme. Grob ließen sich drei Armutsbegriffe unterscheiden: „Absolute Armut“ ohne die materiellen Möglichkeiten, Grundbedürfnisse zu sichern, trete in Deutschland und auch in Rheine wegen der staatlichen Leistungen nur selten auf. „Relative Armut“ dagegen beziehe sich auf soziale Ungleichheit. Wer in Deutschland als Alleinverdiener weniger als 14.037 Euro im Jahr verdiene, gelte als armutsgefährdet. In Deutschland seien das mittlerweile rd.16 Prozent der Bevölkerung, die als Arbeitssuchende Harz IV oder sonst Sozialhilfe erhalten. Der dritte Armutsbegriff „Gefühlte Armut“ werde nicht an Einkommensgrenzen gemessen, sondern bestehe in dem subjektiven Gefühl der gesellschaftlichen Ausgrenzung oder Diskriminierung. Mit verdeckter oder versteckter Armut werde der Umstand beschrieben, wenn Menschen aus Scham ihren Anspruch auf Sozialleitungen nicht in Anspruch nehmen.
In Rheine zeige z.B. die Sozialberichterstattung bei Kinderarmut eine breite Spannweite: Sie reiche von rd. 27 Prozent in der Innenstadt bis rd. 3 Prozent in Altenrheine und in Mesum Dorf. Auch in den großen Stadtteilen Dorenkamp und Schotthock läge dieser Anteil mit rd. 20 Prozent deutlich über dem städtischen Durchschnitt.
Von den von Armut betroffenen Menschen sei Schätzungen zufolge ein Viertel bis ein Drittel Zeit ihres Lebens arm. Für die Zukunft wird mit einem stetigen Anstieg der Altersarmut gerechnet als Folge unterdurchschnittlichen Einkommens und Lücken im Erwerbsleben.
Auslöser seien in der Regel einschneidende familiäre Ereignisse oder größere Krisen, auch in Fällen von einem geregelten Einkommen, so Fühner. Die am häufigsten von Armut betroffenen Personengruppen seien Erwerbslose, Alleinerziehende, Personen ohne Schulabschluss und Personen mit Migrationshintergrund.
Fehlende Bildung und niedrigerer sozialer Status der Eltern seien ebenfalls Faktoren. Trotz sozialer Durchlässigkeit des Bildungssystems erreichten oft Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsstand auch nur einen niedrigeren Bildungsstand als Kinder von Akademikereltern. Bei Alleinerziehenden, insbesondere alleinerziehenden Müttern, reiche oft ein durchschnittliches Gehalt nicht aus, um die alltägliche Lebenshaltung und die Wohnkosten zu finanzieren. Hinzu kommen Probleme, eine Vollbeschäftigung mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren. Die im Koalitionsvertrag der Regierung festgeschriebene Kindergrundsicherung lasse hier auf eine Verbesserung hoffen.
Auch rapide steigende Mieten und Mietnebenkosten bildeten ein erhebliches Armutsrisiko. In Rheine sollen sogenannte Kümmerer (Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen) als Ansprechpartner für die Wohnungswirtschaft bei Problemen im Mietverhältnis fungieren.
Um der Armut entgegenzuwirken, arbeite die Stadt Rheine seit einigen Jahren mit verschiedenen Kooperationspartnern wie der Caritas Projekte in besonders betroffenen Stadtteilen. So gebe es im Dorenkamp das Projekt „Soziale Stadt Dorenkamp“ und im Schotthock die Projekte „Menschen stärken Menschen“ und „Zusammen im Quartier“. Auch bemühten sich zahlreichen Stellen, Dienste und Einrichtungen darum, gefühlte und tatsächliche Armut sowie die damit verbundenen Symptome zu bekämpfen. Die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden hatten hier immer schon eine zentrale Rolle. Beispiele seien Sozialpunkte wie der Salzsteuer, das Kremerhaus und der Treff 100. Für in Not geratene Frauen und Mütter mit Kindern bietet die Diakonie eine Beratungsstelle und auch das Frauenhaus an. Für den Caritasverband sind dies u.a. das Sozialbüro vor allem für Menschen mit Wohnungsnot und die Schuldner- und Insolvenzberatung, das Sozialkaufhaus „Brauchbar und Co.“, die Suppenküche, finanziert durch den Caritasverband und die Kirchengemeinden. Zu nennen sei hier auch die Bahnhofmission, die nicht nur eine Anlaufstelle für Reisende sondern auch für Menschen ohne soziales Netzwerk da ist. Wer in Rheine Unterstützung haben will, bekomme sie auch,
Das Fazit von Fühner lautet: Armut ist nicht einfach die Summe persönlicher Einzelschicksale, sondern in erster Linie ein Systemfehler, der menschengemacht ist und daher auch nur von Menschen durch gesetzliche und gesellschaftliche Veränderungen korrigiert werden kann.
Am Ende dankten die Zuhörer dem Referenten mit herzlichem Applaus, die intensive und auch emotionale Diskussion nach dem Vortrag zeigte noch einmal deutlich die Brisanz des Themas auf.
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